Kera Rachel Cook ist 29 Jahre alt und hat sich nach einem langen Weg vom gängigen Schönheitsideal verabschiedet und dafür sich selbst gefunden. Ihr früheres Leben hat sie abgestreift. Seit ihrem 15. Lebensjahr litt sie an Essstörungen. In diesem Alter nahm sie auch ihren ersten Modelvertrag an.
In eindrucksvoller und sehr erfrischender Weise gab Kera den Schülerinnen der Realschule in der vollbesetzten Sporthalle Einblicke in die Nöte und Ängste, die sie all die Jahre begleiteten. Wie fühlt es sich an und welche Zweifel begleiten häufig eine eigentlich hübsche junge Frau, um den Ansprüchen im Modellbusiness und damit dem gesellschaftlich akzeptierten Schönheitsideal zu entsprechen? Sie sind weder zufrieden mit ihrem Äußeren noch zufrieden mit sich, meint Cook. „Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass man als Model nicht glücklich werden kann.“ Ständiges Diäthalten, ständiges Taxiertwerden, die ständige Unsicherheit: Bin ich schön genug? Oder: Warum wurde ich nicht zum nächsten Foto-Shooting eingeladen?
Dabei hatte sich Cook schon vor etlichen Jahren vom Schlankheitswahn verabschieden wollen. Mit Anfang 20 wechselte sie in das Plus-Size-Fach, das übrigens schon bei Kleidergröße 38 beginnt. Doch auch hier musste Cook bald am eigenen Leib lernen: Selbst mit größerer Konfektionsgröße entkommt man einer Essstörung nicht. Zwölf lange Jahre drehte sich Cooks Alltag ums Essen. Ihre Wünsche und Sehnsüchte kreisten ums Schlanksein. Nur schön und schlank könne man sie lieben, so ihr Credo. Komplimente über ihr Aussehen drangen nicht zu ihr durch. „Ich sah mich immer nur als ein fettes hässliches Monster!“ Der Kreislauf zwischen Fressattacken und Gegensteuern wurde immer schneller, normales Essverhalten war ihr abhanden gekommen.
Bereits mit 18 Jahren nahm sie an Miss-Wahlen teil – vor solchen Auftritten hungerte sie sich dann rabiat die Kilos runter. Als sie sich mit 20 nach einem ersten stationären Aufenthalt in der Psychiatrischen Klinik bei „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) bewarb, arbeitete sie sich vorher 20 Kilo ab. Doch mit ihren 66 Kilo bei 1,86m galt sie einfach als zu dick. Bei GNTM flog sie raus.
Nun ging es für sie erst einmal wieder abwärts und auf der Waage aufwärts. Es folgte ein psychisches Tief und der Entschluss, als Model für größere Größen zu arbeiten – mit viel Erfolg – „Trotzdem war ich unglücklich.“ Sie sah sich auf ihr Aussehen reduziert, mehr als „nett lächeln und Klappe halten“ war nicht gefragt.
Seit 2012 studierte sie in Tübingen Allgemeine Rhetorik und Internationale Literatur, inzwischen hat sie ihren Master in Literatur- und Kulturtheorie gemacht. Heidi Klums Show wurde zum Thema ihrer Masterarbeit. Es waren viele Therapien und noch ein weiterer Klinikaufenthalt nötig, bis sie so viel Selbstbewusstsein und, wie sie sagt, „Eigenliebe entwickeln konnte“, dass sie ihre Essstörung nun als überwunden betrachtet.
Diesen Irrweg auch gerade an die Jüngeren weiterzugeben sieht sie als eine lohnende Aufgabe, darum ist sie als Autorin und Rednerin an Schulen unterwegs. Die Schülerinnen der Realschule waren jedenfalls ein sehr dankbares und interessiertes Publikum, ebenso wie die Elternschaft, die am Abend zum Vortrag geladen war.